Post by rebekka on Oct 28, 2006 23:44:34 GMT
Okay, Amanda wanted me to post one of my short stories. This is the first short story I wrote this year. It's in German. Usually I don't write in the present tense and in "I"-form. But when I wrote that story I just had a feeling to do so and so I did and this is what came out...
I hope you understand and like it
Trinity
„Trinity!“ höre ich es aus dem unteren Stockwerk rufen. „Trinity.“
Genervt rollte ich mit den Augen. Trinity. Welcher Mensch heißt schon Trinity? So wie das College in Dublin. Ich weiß bis heute nicht, was sich meine Eltern dabei gedacht haben, als sie mir diesen Namen gegeben haben. Vielleicht waren sie betrunken und nicht Herr ihrer Sinne. Dafür sollte ich sie verklagen. Aber weil ich meine Eltern liebe – und sie meinen Geschwistern die noch blöderen Namen gegeben haben – tue ich das natürlich nicht. Denn seien wir mal ehrlich: Paris und Brooklyn sind auch nicht wirklich das Wahre. Dann doch lieber Trinity. Ich bin übrigens 20 Jahre alt und Studentin im dritten Semester, falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte. Marketing ist mein Hauptfach und macht mir richtig viel Spaß. Na ja, meistens jedenfalls.
Mein Leben verläuft im Großen und Ganzen recht eintönig. Ich wohne nach wie vor zuhause bei meinen Eltern und muss mir – leider – ein Zimmer mit meiner Schwester teilen. Paris ist zwei Jahre jünger als ich und die meiste Zeit, die ich zuhause bin, schlecht gelaunt. Eine richtige Nervensäge. Manchmal wünsche ich mir, dass ich der einzige Junge der Familie wäre, denn dann hätte ich mein eigenes Zimmer. So wie Brooklyn. Brooklyn ist Soldat und zurzeit eher selten daheim. Eigentlich schade, denn mit ihm verstehe ich mich prächtig. Gut, zumindest dann, wenn er nicht gerade meinen Lieblingspullover ruiniert. Mum hat ihn einmal dazu verdonnert zu waschen, damit er in der Armee alleine zurecht kommen kann, wenn es hart auf hart kommt. Na ja, das Ergebnis dieser Aktion waren vier eingegangene Pullover, zwei rosa Socken (Wer bitte mischt schon weiße mit roter Wäsche?) und eine blaue Jeans mit rosa Streifen. Seither verhindert Mum es energisch ihn auch nur in die Nähe einer Waschmaschine zu lassen. Genau wie Dad. Dad darf auch nichts anfassen, was mit Wäsche oder der Küche zu tun hat. Das ist Sperrgebiet für ihn. Seit Jahren. Aber genug von meiner Familie. Schließlich will ich Sie nicht langweilig. Wobei das bei meiner Familie, glaube ich, gar nicht möglich ist. Es gibt immer etwas zu lachen. Zum Beispiel, wenn mein Dad seinen ehemaligen Professor imitiert. Dann lachen wir alle so lange, bis uns die Bäuche wehtun. Oder wenn Mum Dad mit einem ihrer Exfreunde aufzieht. James hier, James da, James überall. Doch lassen wir das, bevor ich vom Hundertsten ins Tausendste komme.
„Trinity Shepard!“ höre ich es erneut. Mums Stimme klingt immer schärfer. Oje.
„Jaaaa!“ brülle ich daher zurück und steige langsam aus meinem warmen Bett. Ich habe keine Lust jetzt schon aufstehen zu müssen. Was würde ich darum geben jetzt noch eine Weile weiterschlafen zu können. Das ist der Nachteil, wenn man auf die Uni geht und ausgerechnet Marketing – so wie ich – studiert. Meine Vorlesungen beginnen, außer Donnerstags, jeden Morgen um acht Uhr. Und bis ich den Weg zur Uni zurückgelegt habe, brauche ich mindestens zwanzig Minuten. Ab und zu sogar länger. Sie können es sich also ausrechnen: Ich muss spätestens um halb acht aus dem Haus. Sommer wie Winter.
Schlecht gelaunt begebe ich mich mit meiner Kleidung auf dem Arm ins Badezimmer. Das heißt, ich versuche es, denn als ich den Türgriff nach unten drücke, merke ich, dass abgeschlossen ist. Das darf ja wohl nicht wahr sein.
„Paris“, klopfe ich fest an die Türe. „Mach die Tür auf.“
Alles, was ich als Antwort bekomme, ist ein undefinierbares Grummeln. Großartig. Ich stelle mich gerade auf eine längere Wartezeit ein, als sich die Türe tatsächlich öffnet und meine Schwester halb angezogen im Türrahmen erscheint. Die Zahnbürste hat sie im Mund, die Haare hängen ihr ungekämmt ins Gesicht. Sie sieht aus wie eine Hexe. Ungelogen.
„Endlich“, sage ich und drücke mich an ihr vorbei ins Badezimmer. Mein morgendliches Ritual dauert nicht einmal halb so lange wie Paris’. Ich nehme meine Zahnbürste und fange an mir die Zähne zu putzen. Gleichzeitig statte ich der Toilette einen Besuch ab. Anschließend wasche ich mir das Gesicht und fange an mich zu schminken. Nicht viel, nur ein wenig Make-up, Wimperntusche, Kajal und Lidschatten. Ich mag es dezent. Überschminkte Tussis finde ich schrecklich. So wie meine Schwester zum Beispiel. Paris sieht meistens so aus, als sei sie in einen Farbtopf gefallen.
Als ich zurück in unser Zimmer komme, um meine Tasche zu holen, sitzt Paris auf ihrem Bett und starrt Löcher in die Luft. Ich glaube, sie ist mal wieder verliebt.
‚Hervorragend’, denke ich und versuche möglichst unbemerkt das Zimmer wieder zu verlassen. Paris verliebt ist wie zehn Tage Regenwetter. Unzumutbar.
„Morgen“, begrüße ich meine Mum und küsse sie auf die Wange, als ich die Küche betrete. Mum steht am Herd und backt Pfannkuchen. Wie jeden Morgen, seid ich denken kann. Ich nehme mir einen Apfel aus der Obstschale, hole eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und verabschiede mich von ihr.
„Halt, Trin“, fasst sie mich am Arm, als ich aus der Küche tänzeln will. „Du musst etwas Richtiges frühstücken. Ich habe Pfannkuchen gemacht.“
„Keine Zeit, Mum, morgen vielleicht“, wimmele ich sie kurzerhand ab, schnappe im Laufen meine Jacke, schlüpfe in meine neuen Schuhe (Sie waren im Sonderangebot letzte Woche, ein echtes Schnäppchen, nur 15,99 Euro pro Paar!) und verschwinde aus dem Haus, noch ehe meine Mum protestieren kann. Dad ist schon längst weg.
Im Laufschritt eile ich zur Haltestelle und bete inständig, dass mir die Luas nicht schon wieder vor der Nase davonfährt, so wie die letzten drei Tage. Heute jedoch scheint mein Glückstag zu sein. Ich muss sogar noch zwei Minuten auf die Bahn warten. Etwas, was äußerst selten passiert, denn ich leide an der scheußlichen Krankheit grundsätzlich zu allem zu spät zu kommen. Während ich die Menschen um mich herum ansehe, lehne ich mich an die Säule mit dem Fahrplan. Ein junger Mann ein paar Meter neben mir sticht mir mit einem Mal ins Auge. Er lehnt wie ich an einer Säule. Unauffällig mustere ich ihn. Er sieht nicht schlecht aus. Groß, blond, und seine blauen Augen kann ich selbst auf die zehn Meter Entfernung erkennen. Auch seine dunkelblaue Jeans und sein weißes Shirt gefallen mir. Ich stehe auf Männer, die weiß tragen. Ein wenig beschämt wende ich mich ab, als er meine neugierigen Blicke bemerkt. Gott sei Dank kommt in diesem Moment die Bahn und ich steige erleichtert ein. Ich setze mich ans andere Ende des Wagens, um nicht noch einmal Gefahr zu laufen ihn anzustarren. Wäre ja peinlich, wenn er mich noch einmal dabei erwischen würde.
Bis zu meiner Haltestelle sind es genau fünf Stationen. Ich schließe die Augen und beginne zu zählen: Eins.
Die Bahn hält, die Türen gehen auf, die Türen gehen wieder zu und es geht weiter.
Zwei.
Anhalten, auf, zu, weiter.
Drei.
Anhalten, auf, zu, weiter.
Es ist jeden Morgen dasselbe Spiel. Inzwischen ist mir dieser Rhythmus derart ins Blut übergegangen, dass ich nicht einmal mehr aufpassen muss, um meine Haltestelle nicht zu verpassen. Kurz nach der vierten erhebe ich mich mechanisch von meinem Sitzplatz, seit Kurzem übrigens sehr bequem, weil er neu gepolstert worden ist und begebe mich zum Ausgang. Vor der Türe bleibe ich stehen und warte, bis wir anhalten. Dann steige ich aus – und finde mich direkt vor meinem geliebten Shoppingcenter wieder. Das St. Stephen’s Green Center. Ich liebe es. Es vergehen kaum zwei, drei Tage am Stück, in denen ich dort drin nicht einkaufe. Es gibt alles. Klamotten, Schuhe, Unterwäsche, Ohrringe, Eis, einfach alles. Ich sage dazu nur noch Paradies. Denn nichts anderes ist dieses Center.
Heute Morgen reiße ich mich allerdings am Riemen und blickte nicht einmal in die Richtung des Paradieses. Stattdessen biege ich direkt in die Grafton Street ein. Wie immer ist um diese Uhrzeit nicht wirklich viel los. Kein Wunder, schließlich haben die meisten Läden ja auch noch geschlossen. Ohne nach links oder rechts zu blicken, laufe ich zielstrebig die Fußgängerzone entlang. Heute bleibe ich nicht stehen um einen kurzen Blick in die Schaufenster von HMV zu werfen. Oder um mir die Bücher im Laden gegenüber anzusehen. Heute interessieren mich nicht einmal Klamotten. Ich bin selbst ein wenig irritiert darüber und fasse mir vorsorglich an die Stirn. Vielleicht habe ich ja Fieber und werde krank. Doch meine Stirn fühlt sich vollkommen normal an. Seltsam. Schulternzuckend laufe ich weiter, vorbei am Lillies, vorbei an Molly Malone. Es ist witzig, wenn sich die vielen Touristen vor Molly aufbauen und sich mit ihr fotografieren lassen. Ich meine, sie ist doch nur eine langweilige Steinfigur. Wenn auch eine Hübsche, das muss ich neidlos zugeben. Noch steht sie aber alleine da, kein Tourist ist in der Nähe. Irgendwie deprimiert mich das. Es kommt mir so vor, als schlafe alle Welt noch und nur ich bin auf den Beinen. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie finde ich das ein klein wenig unfair. Vielleicht sollte ich mir im nächsten Semester die Abendkurse aussuchen. Dann kann ich auch ausschlafen. Das ist doch mal eine gute Idee.
‚Das muss ich mir merken’, denke ich und mache mir eine gedankliche Notiz. Da rückt plötzlich das Trinity College in mein Blickfeld. Der Grund, warum ich so heiße, wie ich heiße. Ich verlangsame meine Schritte ein wenig und betrachte das große Gebäude. Seit ich denken kann, steht es schon da. Groß, pompös, beeindruckend. Es gefällt mir. Ein paar Mal war ich schon drin. Sehr imposant.
Ich weiß nicht wieso, doch plötzlich stoppe ich und wechsle die Richtung. Mein neues Ziel ist das College. Ohne darauf zu achten, was um mich herum passiert, fixiere ich das Gebäude mit beiden Augen und überquere die Straße. Unachtsam wie jeder in Dublin. Ich bin kaum auf der anderen Seite angekommen, da passiert es auch schon. Ich stoße mit jemandem zusammen. Ehe ich mich versehe, finde ich mich auf der Erde wieder und blicke verwundert auf. Mitten in das besorgte Gesicht eines Mannes. Mitten in das besorgte Gesicht eines bestimmten Mannes. Es ist der junge Mann aus der Bahn. Fast schon erschrocken klopfe ich meine Hände an meinen Hosenbeinen ab, um den Staub von ihnen zu entfernen.
„Entschuldigen Sie bitte, ich habe Sie überhaupt nicht gesehen.“ Er streckt mir seine Hand hin und will mir aufhelfen. Ein wenig zögerlich ergreife ich sie. Fest schließen sich seine Finger um meinen Handrücken. Mit Leichtigkeit kann ich mich aufziehen und stehe ihm im Nu gegenüber. Als ich in seine blauen Augen blicke, falle ich beinahe noch einmal um.
„Ich… ist schon gut“, schaffe ich es schließlich zu sagen und versuche ein zaghaftes Lächeln. Ich scheitere kläglich. Super. Vielleicht sollte ich einfach wegrennen? Nein, keine gute Idee, das wäre unhöflich. Ich habe wohl keine andere Wahl. Also bleibe ich und sehe ihn unentwegt an.
„Es tut mir wirklich leid. Haben Sie sich wehgetan?“
Es rührt mich, wie besorgt er ist und endlich gelingt es mir zu lächeln. Ich schüttle den Kopf: „Nein, es geht mir gut, machen Sie sich keine Gedanken. Es ist nichts passiert. Ich durfte lediglich Bekanntschaft mit dem Boden machen.“
Er schmunzelt, als er sieht, wie locker ich unseren Zusammenstoß nehme. Zumindest äußerlich. Denn innerlich zittere ich und mir ist schlecht.
„Darf ich Sie als Wiedergutmachung auf einen Kaffee einladen?“ fragt er mich und sieht mich an. Mir wird heiß und kalt. Mein ‚Bahnflirt’ will mich in ein Café einladen. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht, als ich sprachlos nickte und ihm ein „Gerne!“ zuhauche.
„Schön. Ich heiße übrigens Alex. Alex Dunne“, sagt er und reicht mir seine Hand, die ich nur zu gerne ergreife und schüttle. Seine Hände sind warm und weich.
„Freut mich, Sie kennen zu lernen, Alex Dunne“, erwidere ich.
„Und Sie? Wie ist Ihr Name?“ will er wissen, als ich nichts weiter sage. Leider kann ich nicht verhindern, dass ich rot werde, als er mich abwartend anblickt. Peinlich berührt senke ich meinen Kopf. Ich hasse meinen Namen. Es dauert ein paar Augenblicke, bis ich wieder aufblicke und ihn fest ansehe.
„Versprechen Sie mir nicht zu lachen“, bitte ich ihn.
„Ich verspreche es.“ Er legt sich lachend zwei Finger auf die Brust und nickt mir zu.
„Okay“, seufze ich und verfluche mich für einen kurzen Moment dafür, dass ich nicht die Flucht ergriffen habe, als ich es noch konnte.
„Mein Name ist…“ Ich stocke.
„Ja?“ hakt Alex nach.
„Mein Name ist Trinity. Ich heiße Trinity Shepard“, höre ich mich plötzlich sagen und holte erleichtert tief Luft. Ich habe es ihm gesagt. Eigentlich habe ich erwartet, dass er zu lachen anfangen würde, doch als ich nichts höre, hebe ich verwundert meinen Blick und sehe ihn an. Amüsiert lächelt er mich an.
„Trinity also, hm? Trinity, wie das Trinity College?“ Er deutet mit dem Daumen hinter sich auf das große Gebäude. Was für ein Zufall. Ich habe beinahe vergessen, wo wir uns befinden. Vor dem Trinity College. Ich schaffe es mit Leichtigkeit, sein Lächeln zu erwidern.
„Genau, wie das College“, bestätige ich und mit einem Mal finde ich die Situation genau so komisch wie er. Trinity vor dem Trinity College.
„Es freut mich, Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen. Trinity.“ Er lächelt und haucht mir einen Kuss auf den Handrücken. Verzückt beobachte ich ihn dabei.
„Also, was ist nun mit unserem Kaffee, Trinity?“
Ich mag es, wie er meinen Namen ausspricht. Er klingt mit einem Mal so… besonders. In diesem Moment beschließe ich die Uni an diesem Morgen sausen zu lassen und hake mich lächelnd bei ihm unter. Wer hätte gedacht, dass mir mein Name noch einmal Glück bringen würde?
The End
I hope you understand and like it
Trinity
„Trinity!“ höre ich es aus dem unteren Stockwerk rufen. „Trinity.“
Genervt rollte ich mit den Augen. Trinity. Welcher Mensch heißt schon Trinity? So wie das College in Dublin. Ich weiß bis heute nicht, was sich meine Eltern dabei gedacht haben, als sie mir diesen Namen gegeben haben. Vielleicht waren sie betrunken und nicht Herr ihrer Sinne. Dafür sollte ich sie verklagen. Aber weil ich meine Eltern liebe – und sie meinen Geschwistern die noch blöderen Namen gegeben haben – tue ich das natürlich nicht. Denn seien wir mal ehrlich: Paris und Brooklyn sind auch nicht wirklich das Wahre. Dann doch lieber Trinity. Ich bin übrigens 20 Jahre alt und Studentin im dritten Semester, falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte. Marketing ist mein Hauptfach und macht mir richtig viel Spaß. Na ja, meistens jedenfalls.
Mein Leben verläuft im Großen und Ganzen recht eintönig. Ich wohne nach wie vor zuhause bei meinen Eltern und muss mir – leider – ein Zimmer mit meiner Schwester teilen. Paris ist zwei Jahre jünger als ich und die meiste Zeit, die ich zuhause bin, schlecht gelaunt. Eine richtige Nervensäge. Manchmal wünsche ich mir, dass ich der einzige Junge der Familie wäre, denn dann hätte ich mein eigenes Zimmer. So wie Brooklyn. Brooklyn ist Soldat und zurzeit eher selten daheim. Eigentlich schade, denn mit ihm verstehe ich mich prächtig. Gut, zumindest dann, wenn er nicht gerade meinen Lieblingspullover ruiniert. Mum hat ihn einmal dazu verdonnert zu waschen, damit er in der Armee alleine zurecht kommen kann, wenn es hart auf hart kommt. Na ja, das Ergebnis dieser Aktion waren vier eingegangene Pullover, zwei rosa Socken (Wer bitte mischt schon weiße mit roter Wäsche?) und eine blaue Jeans mit rosa Streifen. Seither verhindert Mum es energisch ihn auch nur in die Nähe einer Waschmaschine zu lassen. Genau wie Dad. Dad darf auch nichts anfassen, was mit Wäsche oder der Küche zu tun hat. Das ist Sperrgebiet für ihn. Seit Jahren. Aber genug von meiner Familie. Schließlich will ich Sie nicht langweilig. Wobei das bei meiner Familie, glaube ich, gar nicht möglich ist. Es gibt immer etwas zu lachen. Zum Beispiel, wenn mein Dad seinen ehemaligen Professor imitiert. Dann lachen wir alle so lange, bis uns die Bäuche wehtun. Oder wenn Mum Dad mit einem ihrer Exfreunde aufzieht. James hier, James da, James überall. Doch lassen wir das, bevor ich vom Hundertsten ins Tausendste komme.
„Trinity Shepard!“ höre ich es erneut. Mums Stimme klingt immer schärfer. Oje.
„Jaaaa!“ brülle ich daher zurück und steige langsam aus meinem warmen Bett. Ich habe keine Lust jetzt schon aufstehen zu müssen. Was würde ich darum geben jetzt noch eine Weile weiterschlafen zu können. Das ist der Nachteil, wenn man auf die Uni geht und ausgerechnet Marketing – so wie ich – studiert. Meine Vorlesungen beginnen, außer Donnerstags, jeden Morgen um acht Uhr. Und bis ich den Weg zur Uni zurückgelegt habe, brauche ich mindestens zwanzig Minuten. Ab und zu sogar länger. Sie können es sich also ausrechnen: Ich muss spätestens um halb acht aus dem Haus. Sommer wie Winter.
Schlecht gelaunt begebe ich mich mit meiner Kleidung auf dem Arm ins Badezimmer. Das heißt, ich versuche es, denn als ich den Türgriff nach unten drücke, merke ich, dass abgeschlossen ist. Das darf ja wohl nicht wahr sein.
„Paris“, klopfe ich fest an die Türe. „Mach die Tür auf.“
Alles, was ich als Antwort bekomme, ist ein undefinierbares Grummeln. Großartig. Ich stelle mich gerade auf eine längere Wartezeit ein, als sich die Türe tatsächlich öffnet und meine Schwester halb angezogen im Türrahmen erscheint. Die Zahnbürste hat sie im Mund, die Haare hängen ihr ungekämmt ins Gesicht. Sie sieht aus wie eine Hexe. Ungelogen.
„Endlich“, sage ich und drücke mich an ihr vorbei ins Badezimmer. Mein morgendliches Ritual dauert nicht einmal halb so lange wie Paris’. Ich nehme meine Zahnbürste und fange an mir die Zähne zu putzen. Gleichzeitig statte ich der Toilette einen Besuch ab. Anschließend wasche ich mir das Gesicht und fange an mich zu schminken. Nicht viel, nur ein wenig Make-up, Wimperntusche, Kajal und Lidschatten. Ich mag es dezent. Überschminkte Tussis finde ich schrecklich. So wie meine Schwester zum Beispiel. Paris sieht meistens so aus, als sei sie in einen Farbtopf gefallen.
Als ich zurück in unser Zimmer komme, um meine Tasche zu holen, sitzt Paris auf ihrem Bett und starrt Löcher in die Luft. Ich glaube, sie ist mal wieder verliebt.
‚Hervorragend’, denke ich und versuche möglichst unbemerkt das Zimmer wieder zu verlassen. Paris verliebt ist wie zehn Tage Regenwetter. Unzumutbar.
„Morgen“, begrüße ich meine Mum und küsse sie auf die Wange, als ich die Küche betrete. Mum steht am Herd und backt Pfannkuchen. Wie jeden Morgen, seid ich denken kann. Ich nehme mir einen Apfel aus der Obstschale, hole eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und verabschiede mich von ihr.
„Halt, Trin“, fasst sie mich am Arm, als ich aus der Küche tänzeln will. „Du musst etwas Richtiges frühstücken. Ich habe Pfannkuchen gemacht.“
„Keine Zeit, Mum, morgen vielleicht“, wimmele ich sie kurzerhand ab, schnappe im Laufen meine Jacke, schlüpfe in meine neuen Schuhe (Sie waren im Sonderangebot letzte Woche, ein echtes Schnäppchen, nur 15,99 Euro pro Paar!) und verschwinde aus dem Haus, noch ehe meine Mum protestieren kann. Dad ist schon längst weg.
Im Laufschritt eile ich zur Haltestelle und bete inständig, dass mir die Luas nicht schon wieder vor der Nase davonfährt, so wie die letzten drei Tage. Heute jedoch scheint mein Glückstag zu sein. Ich muss sogar noch zwei Minuten auf die Bahn warten. Etwas, was äußerst selten passiert, denn ich leide an der scheußlichen Krankheit grundsätzlich zu allem zu spät zu kommen. Während ich die Menschen um mich herum ansehe, lehne ich mich an die Säule mit dem Fahrplan. Ein junger Mann ein paar Meter neben mir sticht mir mit einem Mal ins Auge. Er lehnt wie ich an einer Säule. Unauffällig mustere ich ihn. Er sieht nicht schlecht aus. Groß, blond, und seine blauen Augen kann ich selbst auf die zehn Meter Entfernung erkennen. Auch seine dunkelblaue Jeans und sein weißes Shirt gefallen mir. Ich stehe auf Männer, die weiß tragen. Ein wenig beschämt wende ich mich ab, als er meine neugierigen Blicke bemerkt. Gott sei Dank kommt in diesem Moment die Bahn und ich steige erleichtert ein. Ich setze mich ans andere Ende des Wagens, um nicht noch einmal Gefahr zu laufen ihn anzustarren. Wäre ja peinlich, wenn er mich noch einmal dabei erwischen würde.
Bis zu meiner Haltestelle sind es genau fünf Stationen. Ich schließe die Augen und beginne zu zählen: Eins.
Die Bahn hält, die Türen gehen auf, die Türen gehen wieder zu und es geht weiter.
Zwei.
Anhalten, auf, zu, weiter.
Drei.
Anhalten, auf, zu, weiter.
Es ist jeden Morgen dasselbe Spiel. Inzwischen ist mir dieser Rhythmus derart ins Blut übergegangen, dass ich nicht einmal mehr aufpassen muss, um meine Haltestelle nicht zu verpassen. Kurz nach der vierten erhebe ich mich mechanisch von meinem Sitzplatz, seit Kurzem übrigens sehr bequem, weil er neu gepolstert worden ist und begebe mich zum Ausgang. Vor der Türe bleibe ich stehen und warte, bis wir anhalten. Dann steige ich aus – und finde mich direkt vor meinem geliebten Shoppingcenter wieder. Das St. Stephen’s Green Center. Ich liebe es. Es vergehen kaum zwei, drei Tage am Stück, in denen ich dort drin nicht einkaufe. Es gibt alles. Klamotten, Schuhe, Unterwäsche, Ohrringe, Eis, einfach alles. Ich sage dazu nur noch Paradies. Denn nichts anderes ist dieses Center.
Heute Morgen reiße ich mich allerdings am Riemen und blickte nicht einmal in die Richtung des Paradieses. Stattdessen biege ich direkt in die Grafton Street ein. Wie immer ist um diese Uhrzeit nicht wirklich viel los. Kein Wunder, schließlich haben die meisten Läden ja auch noch geschlossen. Ohne nach links oder rechts zu blicken, laufe ich zielstrebig die Fußgängerzone entlang. Heute bleibe ich nicht stehen um einen kurzen Blick in die Schaufenster von HMV zu werfen. Oder um mir die Bücher im Laden gegenüber anzusehen. Heute interessieren mich nicht einmal Klamotten. Ich bin selbst ein wenig irritiert darüber und fasse mir vorsorglich an die Stirn. Vielleicht habe ich ja Fieber und werde krank. Doch meine Stirn fühlt sich vollkommen normal an. Seltsam. Schulternzuckend laufe ich weiter, vorbei am Lillies, vorbei an Molly Malone. Es ist witzig, wenn sich die vielen Touristen vor Molly aufbauen und sich mit ihr fotografieren lassen. Ich meine, sie ist doch nur eine langweilige Steinfigur. Wenn auch eine Hübsche, das muss ich neidlos zugeben. Noch steht sie aber alleine da, kein Tourist ist in der Nähe. Irgendwie deprimiert mich das. Es kommt mir so vor, als schlafe alle Welt noch und nur ich bin auf den Beinen. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie finde ich das ein klein wenig unfair. Vielleicht sollte ich mir im nächsten Semester die Abendkurse aussuchen. Dann kann ich auch ausschlafen. Das ist doch mal eine gute Idee.
‚Das muss ich mir merken’, denke ich und mache mir eine gedankliche Notiz. Da rückt plötzlich das Trinity College in mein Blickfeld. Der Grund, warum ich so heiße, wie ich heiße. Ich verlangsame meine Schritte ein wenig und betrachte das große Gebäude. Seit ich denken kann, steht es schon da. Groß, pompös, beeindruckend. Es gefällt mir. Ein paar Mal war ich schon drin. Sehr imposant.
Ich weiß nicht wieso, doch plötzlich stoppe ich und wechsle die Richtung. Mein neues Ziel ist das College. Ohne darauf zu achten, was um mich herum passiert, fixiere ich das Gebäude mit beiden Augen und überquere die Straße. Unachtsam wie jeder in Dublin. Ich bin kaum auf der anderen Seite angekommen, da passiert es auch schon. Ich stoße mit jemandem zusammen. Ehe ich mich versehe, finde ich mich auf der Erde wieder und blicke verwundert auf. Mitten in das besorgte Gesicht eines Mannes. Mitten in das besorgte Gesicht eines bestimmten Mannes. Es ist der junge Mann aus der Bahn. Fast schon erschrocken klopfe ich meine Hände an meinen Hosenbeinen ab, um den Staub von ihnen zu entfernen.
„Entschuldigen Sie bitte, ich habe Sie überhaupt nicht gesehen.“ Er streckt mir seine Hand hin und will mir aufhelfen. Ein wenig zögerlich ergreife ich sie. Fest schließen sich seine Finger um meinen Handrücken. Mit Leichtigkeit kann ich mich aufziehen und stehe ihm im Nu gegenüber. Als ich in seine blauen Augen blicke, falle ich beinahe noch einmal um.
„Ich… ist schon gut“, schaffe ich es schließlich zu sagen und versuche ein zaghaftes Lächeln. Ich scheitere kläglich. Super. Vielleicht sollte ich einfach wegrennen? Nein, keine gute Idee, das wäre unhöflich. Ich habe wohl keine andere Wahl. Also bleibe ich und sehe ihn unentwegt an.
„Es tut mir wirklich leid. Haben Sie sich wehgetan?“
Es rührt mich, wie besorgt er ist und endlich gelingt es mir zu lächeln. Ich schüttle den Kopf: „Nein, es geht mir gut, machen Sie sich keine Gedanken. Es ist nichts passiert. Ich durfte lediglich Bekanntschaft mit dem Boden machen.“
Er schmunzelt, als er sieht, wie locker ich unseren Zusammenstoß nehme. Zumindest äußerlich. Denn innerlich zittere ich und mir ist schlecht.
„Darf ich Sie als Wiedergutmachung auf einen Kaffee einladen?“ fragt er mich und sieht mich an. Mir wird heiß und kalt. Mein ‚Bahnflirt’ will mich in ein Café einladen. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht, als ich sprachlos nickte und ihm ein „Gerne!“ zuhauche.
„Schön. Ich heiße übrigens Alex. Alex Dunne“, sagt er und reicht mir seine Hand, die ich nur zu gerne ergreife und schüttle. Seine Hände sind warm und weich.
„Freut mich, Sie kennen zu lernen, Alex Dunne“, erwidere ich.
„Und Sie? Wie ist Ihr Name?“ will er wissen, als ich nichts weiter sage. Leider kann ich nicht verhindern, dass ich rot werde, als er mich abwartend anblickt. Peinlich berührt senke ich meinen Kopf. Ich hasse meinen Namen. Es dauert ein paar Augenblicke, bis ich wieder aufblicke und ihn fest ansehe.
„Versprechen Sie mir nicht zu lachen“, bitte ich ihn.
„Ich verspreche es.“ Er legt sich lachend zwei Finger auf die Brust und nickt mir zu.
„Okay“, seufze ich und verfluche mich für einen kurzen Moment dafür, dass ich nicht die Flucht ergriffen habe, als ich es noch konnte.
„Mein Name ist…“ Ich stocke.
„Ja?“ hakt Alex nach.
„Mein Name ist Trinity. Ich heiße Trinity Shepard“, höre ich mich plötzlich sagen und holte erleichtert tief Luft. Ich habe es ihm gesagt. Eigentlich habe ich erwartet, dass er zu lachen anfangen würde, doch als ich nichts höre, hebe ich verwundert meinen Blick und sehe ihn an. Amüsiert lächelt er mich an.
„Trinity also, hm? Trinity, wie das Trinity College?“ Er deutet mit dem Daumen hinter sich auf das große Gebäude. Was für ein Zufall. Ich habe beinahe vergessen, wo wir uns befinden. Vor dem Trinity College. Ich schaffe es mit Leichtigkeit, sein Lächeln zu erwidern.
„Genau, wie das College“, bestätige ich und mit einem Mal finde ich die Situation genau so komisch wie er. Trinity vor dem Trinity College.
„Es freut mich, Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen. Trinity.“ Er lächelt und haucht mir einen Kuss auf den Handrücken. Verzückt beobachte ich ihn dabei.
„Also, was ist nun mit unserem Kaffee, Trinity?“
Ich mag es, wie er meinen Namen ausspricht. Er klingt mit einem Mal so… besonders. In diesem Moment beschließe ich die Uni an diesem Morgen sausen zu lassen und hake mich lächelnd bei ihm unter. Wer hätte gedacht, dass mir mein Name noch einmal Glück bringen würde?
The End